Interview mit der Initiative Freiheit für Sturm: "Waren uns sicher, dass der Verein langfristig profitiert" 

Die Initiative „Freiheit für Sturm“ schaffte es durch jahrelange Überzeugungsarbeit, den Sponsor aus dem Vereinslogo des SK Sturm Graz zu bekommen – und erzielte beim Vereinsnamen einen Kompromiss. Wie das gelang, welche Hindernisse es gab und wie der Verein heute auch finanziell von einem neuen Bewusstsein für Tradition profitiert, erzählte uns Georg Kleinschuster, Mitbegründer der Initiative, im Interview.

Hallo, danke dass du dir Zeit genommen hast. Beginnen wir ganz von vorne: Welchen Anlass gab es für die Gründung der Initiative „Freiheit für Sturm“ und wie war die Situation im Verein damals?

Das Thema mit dem Sponsor im Vereinsnamen war schon lange bei uns präsent. Zuerst, in den frühen 2000er-Jahren unter Kartnig, hatte das Überleben des Vereins aber Vorrang – damals haben wir nur auf dieses Ziel hingearbeitet. Mit Müh und Not wurde der finanzielle Ausgleich geschaffen. Unsere vorrangige Sorge war es zu dieser Zeit natürlich nicht, dass man einen Sponsor im Vereinsnamen hat – wir waren froh, dass es überhaupt Sponsoren gibt, die das Überleben sichern. Die Prioritäten waren andere. Als das Überleben von Sturm Graz dann gesichert war, haben wir uns stärker mit der Identität des Vereins beschäftigt- Unser erstes Ziel war es, das alte Logo mit der Fahne zurückzubekommen. Im Jahr 2011, im Frühjahr, haben wir beschlossen, dass jetzt die Zeit gekommen ist, das Thema Namenssponsor aufgreifen – der Verein hatte sich zu dem Zeitpunkt wieder konsolidiert. Für uns war klar: Wir als Sturm Graz sind kein Werksverein von Puntigamer. Bei uns hatte das Sponsorthema ganz arge Ausmaße angenommen: Teilweise sind wir im Teletext nicht mehr als Sturm Graz, sondern als Puntigamer S. wahrgenommen worden. Selbst beim Verein war es so: Bei offiziellen Vereinsmeldungen war Puntigamer wichtiger als Sturm.

Wann kam es überhaupt zum Sponsornamen bei Sturm?

Wir waren da einer der Vorreiter in Österreich. Das erste Mal als wir einen Sponsor im Vereinsnamen hatten war 1965, damals Durisol Sturm. Der Grund war eigentlich ein ganz lustiger: Durisol war unser offizieller Namenssponsor, der ORF weigerte sich damals aber, diesen Namen im Teletext anzugeben. Deswegen wurde auch der Vereinsname im Vereinsregister geändert, um den ORF zu zwingen, dass er uns im Teletext als Durisol Sturm aufscheinen lässt. Nach Durisol hatten wir die Raika und Stabil Fenster, Puntigamer ist dann 1996 Namenssponsor geworden.

Wie waren die Reaktionen seitens Vereins und Fans auf die Gründung eurer Initiative? Im Austrian Soccer Board (ASB) liest man beispielweise als eine der ersten Reaktion auf die Gründung folgenden Kommentar: „Nette Initiative, bringen wird es aber nichts. Ich kann mir nicht vorstellen, dass unser Vorstand dem ganzen zustimmen wird.“

Durch die ganze Kartnig-Geschichte – und was wir zur Rettung des Vereins als Fans beigetragen haben –waren wir natürlich schon relativ einflussreich und wurden von Fans und in den Medien ganz anders wahrgenommen als früher. Man hat uns zwar als Gesprächspartner wahrgenommen, gleichzeitig wurden wir aber als Fantasten abgestempelt. Die gängigste Rückmeldung war: „Was wollts? Die zahlen, und jetzt wollts ihr, dass die nix dafür bekommen? Bringts halt einen Sponsor her, der mehr zahlt. Dann könnts reden.“

Wer war damals bei eurer Initiative engagiert?

Das war ein kleiner Personenkreis – sowohl von Fangruppen als auch außerhalb. Anfänglich haben sich die Aktionen der Initiative vorwiegend im Fanblock abgespielt, durch die lange Arbeit und Bewusstseinsbildung haben sich unsere Ansichten und Ziele aber auf die breite Masse der Sturmfans übertragen.

Wie schwierig war es in der Anfangsphase, den durchschnittlichen Stadiongeher außerhalb des harten Kerns von eurer Sache zu überzeugen?

Es gab niemanden, der gesagt hätte, „ich bin gegen eure Initiative“. Alle meinten, dass es natürlich super wäre ohne Namenssponsor – aber die zahlen ja, wir brauchen das Geld ja. „Ohne die kriegen wir ja kein Geld, und wir wollen erfolgreich sein – wie soll das funktionieren?“ – das war so die klassische Rückmeldung anfangs. Es war ein langer Prozess der Überzeugungsarbeit. Wir haben uns natürlich genau vorbereitet. Wir wollten ja nicht einfach aus eigenem Interesse den Sponsor aus dem Namen wegbringen, das war ja auch im Interesse von Sturm Graz. Wir waren uns sicher, dass Sturm Graz langfristig davon profitiert und besser dasteht, wenn man diesen Weg geht. Das war der eigentliche Hintergrundgedanke. Wenn wir die Ahnung gehabt hätten, dass Sturm dann untergeht oder in Konkurs gehen muss, hätten wir das Thema sicher nicht angegangen. Das haben wir immer wieder betont, die Leute hören dir am Anfang halt nicht zu, weil sie es sich nicht vorstellen können.

Was waren die nächsten Schritte der Initiative?

Wir waren gemeinsam mit dem Verein in einer Arbeitsgruppe, die sich mehrmals getroffen hat. Aber irgendwann ist das ganze eingeschlafen und nichts mehr ist weitergegangen. Wir wurden nicht wirklich ernst genommen vom Verein, man ist hingehalten worden. Schließlich ist es zur Eskalation mit dem Verein gekommen: Wir sind Anfang Februar 2011 mit unserer Kampagne und Forderungen an die Öffentlichkeit gegangen. Ende 2011 war die Generalversammlung des Vereins. Wir haben damals beschlossen, unseren Antrag zur Änderung des Vereinsnamens einfach bei der Generalversammlung einzubringen. Das war natürlich ein Schock für den Verein. „Jetzt machen sie das wirklich, jetzt bringen sie einen Antrag bei der Generalversammlung ein“ – das hat dem Vorstand gar nicht gepasst. Es wurde versucht, Stimmung gegen uns zu machen. Man wollte uns hinstellen als Hasser von Puntigamer und dass wir dem Verein schaden wollen. Wir haben versucht die ganze Diskussion auf einer sachlichen Basis zu führen, wir haben immer wieder betont in unseren Aussendungen, dass wir nichts gegen den Sponsor an sich haben. Es gab sogar ein eigenes Spruchband im Stadion mit dem Wortlaut „Puntigamer zum Saufen gern, aber haltet es von dem Wappen fern.“ Ich bin übrigens nach wie vor davon überzeugt, dass die lokale Biermarke der ideale Sponsor für einen Fußballverein ist. Aber auf partnerschaftlicher Ebene und nicht als Besitzer oder den Verein einnahmen. Es gehört immer eine gesunde Partnerschaft her zwischen Verein und Sponsoren – aber der Verein muss immer unabhängig bleiben und im Vordergrund stehen. Wir haben Puntigamer damals auch angeboten, uns mit ihnen zusammenzusetzen, das ist aber nicht zustande gekommen. Puntigamer war nie ein Feind von uns. Auf unsere Argumente wurde wenig eingegangen. Es war halt Panikmache und Angstmache unter den Sturmfans vom Verein und durch die Medien. Man wollte anhand von Journalisten, die man gut kennt, eine negative Stimmung schüren.

Wie war die Ausgangslage vor der Generalversammlung?

Wir hatten damals schon einen guten Außenauftritt, waren gut vernetzt und hatten vor allem seit dem Konkurs 2006 sehr stark darauf Wert gelegt, dass wir viele Leute, die wir kennen, in den Verein bringen, damit wir eine starke Mitgliederbasis haben. Bei der Generalversammlung 2012 hätte ich mir gedacht, dass wir etwa ein Drittel der Mitglieder stellen. Es ist zu diesem Showdown gekommen: Man wollte uns zwar einreden, dass wir von unserem Antrag absehen sollen und dass wir eine andere Lösung finden sollen. Wir haben aber gesagt nein, wir sind jetzt ein Jahr quasi verarscht worden, wir ziehen das jetzt durch. Davor wurden wir zu einem Krisentreffen eingeladen, wo man mit uns reden wollte. Nach dem Motto: „Wenn wir mit denen a bissl reden, dann sinds wieder zufrieden“. Im Gespräch hat dann irgendwer aus dem Vorstand gesagt: Ihr wollts das jetzt wirklich durchziehen, oder? An diesen Moment kann ich mich noch gut erinnern, die waren ziemlich entgeistert.

Bei der Abstimmung wurden dann überraschend fast die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht. Wie war das möglich?

Wir haben uns relativ gut vorbereitet. Vereinbart war: Jede Seite darf drei Redner aufstellen, damit das Ganze nicht unnötig in die Länge gezogen und emotional wird. Wir haben kompetente Leute aufgestellt – ein Kopf der Initiative war etwa in führender Position bei einer großen Grazer Firma im Marketingbereich tätig. Der wusste natürlich, worüber er redet. Wir haben im Zuge des Antrags versucht, sachlich zu argumentieren, warum wir der Meinung sind, dass unser Anliegen das Beste für den Verein ist. Ich kann mich noch genau erinnern: Am Tisch vor mir auf der Generalversammlung ist ein älterer Mann gesessen, der hat auf seinem Stimmzettel schon vor der Diskussion „Nein“ angekreuzt und damit gegen uns gestimmt. Später hat er sich aber umentschieden, doch „Ja“ angekreuzt und sich fürchterlich darüber aufgeregt, wie der Vorstand argumentiert. Denn die hatten einen katastrophalen Auftritt in der Diskussion. Einer zeigte etwa ein Foto der Mannschaft mit Meisterteller und behauptete, dass man solche Bilder nie wieder sehen würde, der nächste meinte, ein neuer Vereinsname sei unwahrscheinlich kompliziert, weil man ein neues Briefpapier branden müsste. Die Argumente waren einfach nur lächerlich – und die Stimmung hat sich schnell aufgeheizt. Und zwar gar nicht bei uns, sondern bei den normalen Fans, die begonnen haben, den Vorstand auszubuhen. Das war insofern sehr interessant, weil der Sponsor anwesend war bei der Veranstaltung – und weil es nach der Versammlung zu einem Vorstandswechsel gekommen ist. Der neue Vorstand war schon anwesend und hat sich überhaupt nicht in die Diskussion eingebracht. Letztendlich hätten wir 66 Prozent für unseren Antrag gebraucht – geworden sind es aber nur 62 Prozent. Das war natürlich bitter – es waren nur 13 Stimmen Unterschied.

Trotzdem war das Ergebnis natürlich ein großer Erfolg für euch.

Es war ein großes Statement, dass man es nicht mehr ignorieren konnte. Eine Rückkehr zur Tagesordnung war unmöglich bei 62 Prozent Zustimmung. Der Verein konnte das Thema nicht mehr ignorieren. Es kam zu weiteren Gesprächen. Auch dort wurde das Ganze wieder verschleppt – das haben wir dann wieder öffentlich in einem Text kritisiert. Zwei oder drei Jahre später ist es dann aber zu einer Einigung und zur jetzigen Vereinbarung gekommen: Puntigamer kommt sofort aus dem Wappen raus, bleibt zwar Namenssponsor, ist dafür aber der letzte Namenssponsor aller Zeiten bei Sturm Graz. Das war natürlich ein schmerzhaftes Entgegenkommen von unserer Seite, weil wir auf den Namen verzichten mussten. Auf der anderen Seite haben wir aber gesagt, jetzt müssen wir halt einen Kompromiss eingehen. Im Nachhinein betrachtet war das sicher der richtige Schritt: Selbst in der Zeitung steht nicht mehr überall Puntigamer dabei, die Präsenz des Sponsors hat insgesamt deutlich abgenommen.

Wie wurde nach der Eskalation mit dem Verein die Gesprächsbasis wieder besser?

Wie gesagt wurde ein neuer Vorstand gewählt bei der Generalversammlung – dadurch gab es wieder ganz neue Startbedingungen Aber auch mit den alten Vorstandsmitgliedern wurde aber nie etwas auf einer persönlichen Ebene ausgetragen. Es gab Streit, man konnte sich aber immer wieder zusammentrinken und ein Bier trinken. Man greift natürlich gerne zur drastischen Wortwahl für seine Sache, aber es gab nie irgendwelche Untergriffe.

Welche Faktoren waren ausschlaggebend für euren Erfolg?

Das wir als seriös wahrgenommen wurden, dass wir unsere Argumente nicht nur im emotionalen, sondern durchaus auch im wirtschaftlichen Bereich hatten, und dass wir immer versucht haben, auf einer sachlichen Ebene zu argumentieren. Wir haben nie mit Angstmache gearbeitet und kontinuierlich gearbeitet. Viel Arbeit mit dem Verein, aber ständiger Aktionismus im und um das Stadion und auch im Internet. Proaktive Diskussionen führen auf Plattformen, wo man sich vielleicht sonst nicht so herumtreibt. Wir haben uns die Mühe gemacht und haben mit den Leuten diskutiert und sind auf alles eingegangen.

Ständiger Aktionismus im und um das Stadion: Welche Schritte wurden gesetzt? Zu einer richtigen Eskalation ist es unseres Wissens ja nie gekommen.

Das wollten wir auch nicht. Was bringt es mir, wenn ich Pyro aufs Feld schmeiße oder einen VIP-Sektor stürme, um meiner Forderung Nachdruck zu verleihen? In diesem Umfeld ist das vermutlich kontraproduktiv als Protestmaßnahme. So etwas kann nur als letztmögliche Maßnahme angewendet werden, wenn eh schon alles verloren ist. In unserem Fall hätten wir damals sicher viele Leute von uns weggetrieben. Die hätten dann gesagt: Die haben eh keine Argumente, das sind nur Gewalttäter, die sich wichtig machen wollen.

Was hat sich seit dem Kompromiss mit dem Verein und dem Erfolg der Initiative getan?

Es hat sich tatsächlich immer mehr in den Köpfen von Sturm-Fans verankert, dass Sturm tatsächlich ein schwarz-weißer Verein ist. Der Mitgliederverein bekommt immer mehr Wichtigkeit bei uns – das ist nicht nur auf die Initiative zurückzuführen, einen Anteil daran haben wir aber vermutlich. Generell hat sich das Mindset in unserem Verein geändert. Wenn man bei uns im Fanshop schaut zum Beispiel: Es ist prinzipiell das Verständnis für unsere Farben da – und bei vielen Fanartikeln wird die Fanszene um eine Einschätzung gebeten. Im Verein ist einfach ein Bewusstsein für das ganze Traditionsthema aufgekommen. Und ich glaube sehr wohl, dass dieses neue Bewusstsein dem Verein auch Felder eröffnet hat im Marketing, mit anderen Sponsoren zusammenzuarbeiten, weil der eine Sponsor halt weniger präsent ist.

Habt ihr immer an euren Erfolg geglaubt?

Natürlich. Wir hätten es nicht gemacht, wenn wir nicht daran geglaubt hätten. Dasselbe ist jetzt bei unserer neuen Stadioninitiative – wir wollen erreichen, dass Sturm Graz ein eigenes Stadion bekommt. Da sagen viele: Was wollts ihr mit dem? Warum soll sich Sturm auf einmal ein Stadion leisten können? Da ist ja auch ein längerfristiges Ziel dahinter. Da geht es nicht nur drum, dass wir ein Stadion haben. Es geht darum, dass das langfristig das Beste für den Verein ist. Auch dieses Ziel kann man natürlich nicht von heute auf morgen, sondern nur durch langfristige Bewusstseinsbildung erreichen.

Zum Abschluss noch ein kurzer Blick nach Linz: Wie sieht man in Graz unsere Dressensituation?

Viel hat man lange nicht mitbekommen, manchmal wurde ein bisschen neidisch nach Linz geschaut, weil es echt tolle Dressen gab – etwa die schwarz-weiß gestreiften Dressen mit kaum Sponsoren und dem Wappen oben. Man hatte das Gefühl, dass dort echt der schwarz-weiße Weg gegangen wird. Dann kam auf einmal die rosa Dress daher – wohl doch nicht alles so lässig dort, war mein Gedanke. Man merkt schon, dass sich einiges verschiebt in letzter Zeit.

Danke für das Gespräch und viel Erfolg mit der neuen Initiative „Sturm braucht eine Heimat“!

INITIATIVE SCHWARZ-WEISS